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Montpellier Danse

Der klassische Impulstanz-Wienaufenthalt kam heuer nicht zustande, dafür sprang im Juni das Festival Montpellier Danse ein, welches zufällig während meiner französischen Bildungszeit ebendort stattfand.

Drei performances passten in meine Montpellier-Woche:

Full Moon” (Josef Nadj)

Lunar Halo” (Cheng Tsung-lung / Cloud Gate)

und “Voice of Desert” (Saburo Teshigawara)

Während Full Moon (in der Opéra National) leider zu sehr auf die äußerlich perfekte Körperlichkeit der Protagonisten setzt und choreografisch-inhaltlich knapp an der Banalität vorbeischrammt (was das durchaus leicht zu unterhaltende Publikum aber nicht von frenetischem Beifall abhält), arbeitet Lunar Halo mit bombastischen Gesten und visuellen Effekten, was zwar – unter Anwesenheit des Bürgermeister in der Opéra Berlioz des “Corum” – stellenweise beeindruckt und sicherlich einfallsreicher als Full Moon ausfällt, am Ende dann aber doch die nötige emotionale Tiefe vermissen lässt. Diese findet sich dafür mannigfaltig bei Saburo Teshigawara, der im Agora unter freiem Himmel und zeitweise bei leichtem Nieselregen, gemeinsam mit seinen TänzerInnen eine wunderbar berührende und bewegende performance mit ausgezeichnet selektierter Musik und ohne jegliche Effekthascherei auf eine nackte schwarze Bühne zaubert. Japan zeigt uns wieder einmal was im modernen Tanz alles (noch) möglich ist – arigatō gozaimasu!

Impulstanz 2023

Impulstanzbesuch – heuer aus Zeitmangel in abgespeckter Ausgabe mit nur 4 performances.

Den Anfang machte Sebastiano Sing’s “Mathieu”. In der Ankündigung mit der Erfindung des neuen Genres “Dark Schlager” beworben, blieb der Abend für mich leider etwas hinter den Erwartungen zurück, was aber auch am sommer-, uhrzeit- und reisetaginduzierten Sekundenschlaf gelegen haben könnte 😉 Aber eines muss ich sagen: die Bluse mit dem dreieckigen Rückenausschnitt ist perfekt geschneidert! Sie spiegelte in meisterhafter Art die Form der Schulterblätter und des Torsos zugleich – 5 Sterne für die Garderobe!

Weiter ging’s tags darauf mit dem Countertenor Benjamin Abel Meirhaeghe, der nicht nur eine tolle Stimme sondern auch großes Charisma und Bühnenpräsenz mitbringt. Der begleitende Musiker und die japanische Tänzerin sind dabei völlig entbehrlich. Und auch bei Benjamin merkt man – hier ginge noch einiges, er fährt gewissermaßen mit angezogener Handbremse. Trotzdem ein schöner Abend.

Danach gab’s eine Woche Waldviertel, und als Abschluss noch zwei perfomances an einem Abend. Zuerst Luca Bonamore (AT/IT) & Lau Lukkarila (AT/FI) in Lapse and the Scarlet Sun im Odeon. Hier wurden wir durch eine Art Karaoke Show geführt, die für mich größtenteils wie eine Persiflage auf alle möglichen Musikgenres wirkte und – obgleich stimmlich und auf der Ebene der Körperpräsenz toll – erstaunlich distanziert und unpersönlich blieb. Bis dann der “Epilog” kam, in dem zwei Lieder mit sehr viel stärkerem persönlichem Bezug und das direkte Ansprechen des Publikums doch noch Intimität herzustellen vermochten.

Den Abschluss bildete Marina Otero’s “Love Me” (gewissermaßen das sequel von “Fuck Me”), in dem sie ihre “Flucht” aus Argentinien nach Spanien reflektiert, die Vergangenheit ihres Großvaters, Gewalt gegen Frauen und ihre Gefühlswelt ganz allgemein. Den ersten Teil bildet ein sehr langer Text, der in deutscher und englischer Sprache projiziert wird, während sie stumm auf der Bühne sitzt. Die Geschichten, die der Text erzählt sind zwar emotional relevant und berührend, vieles scheint aber hier ein wenig lost in translation (war der Originaltext Spanisch?), auf mich wirkt der Text wenig eloquent und tatsächlich fragt man sich ab einem gewissen Punkt “ob noch etwas passiert”, Marina nimmt dieses Gefühl auch selbst in dem Text vorweg. Als performance funktioniert dieser Teil für mich nicht. Dann aber setzt sie eine Art wrestling-Maske auf und beginnt mit den Worten “what follows now is improvised” den zweiten Teil der performance, der dann doch noch beeindruckt. In einem ekstatischen Wirbelwind bringt sie Dinge zum Ausdruck, die der Text schuldig blieb!

Bis nächstes Jahr, liebes Impulstanz!

Singer 522 – Yukata No.1

Was lange im Dornröschenschlaf liegt wird manchmal mit erstaunlichen Ergebnissen wieder zum Leben erweckt! In diesem Fall die Singer 522 von 1976 der Holzwebers (nicht nur Ilse sondern auch Opa Karl nähte mit ihr). Nun trat sie seit langem ihre erste Reise an, erst von Hoheneich/NÖ/AT nach Wien/AT und von dort nach Neukölln/Berlin/DE. Einstellmöglichkeiten gibt es bei solch alten Maschinen ja Gott sei Dank wenige (sie muss nicht erst ins Wlan oder einen Satelliten finden!) und man kann relativ schnell losnähen (wenn man verstanden hat wie man die beiden Fäden einfädelt und deren Spannung auf den Stoff abstimmt). Den Einstiegsklassiker Kissenbezug (Polsterüberzug) habe ich übersprungen und bin mit selbst gemachten (danke Ilse für’s perfekte Ausschneiden) Schnittmuster-Schablonen einer meiner Yukatas gleich zum Projekt Yukata übergegangen. Ein Teststoff vom Maybachufer-Markt (5€/m, da is nix vahockt!) war dann am Ende doch schöner als erwartet. Jetzt können die etwas ausgefalleneren japanischen Stoffe her!

Singer 522, Kaufdatum 1976
Leichte Sommer-Yukata No.1

Great Grandpa’s Bowler Hat – Part 2

Great grandpa Johann might not have worn his bowler hat very often after his wedding, but 100 years later in Berlin, it does see the light of day (or twilight of a club 😉 ) from time to time, so finally the seam of the sweatband gave up, and the inner lining had always been a bit sad as well, so it was time for a pimp my bowler hat session! Of course the outer decoration was also upgraded at the same time. Good as new and ready for Kitkat again!

Great grandma Anastasia and great grandpa Johann Besenböck at their wedding, bowler hat in hand …

Final result and various intermediate stages. Inner lining redone with golden silk, sweat band replaced with black leather sweatband by GiustoHats, USA.

100 Buchhandlungen

Ein Herbst/Winterprojekt: 100 Berliner Buchhandlungen werden “erradelt” und auf ihre Stärken und Schwächen abgeklopft. Zuviel oder zuwenig Licht? Gefällt das Sortiment, ist die Bedienung freundlich, hat man genug Platz und Lust zu stöbern, muss man am Boden herumkriechen um die Titel lesen zu können und ist alles zugestellt mit sinnlosem bric-à-brac?
All dies wird hier demnächst besprochen werden in Form von Kommentaren zu diesem post.
Lets read!

Nachtrag – Fazit, 30.03.2023:

100 waren sehr sehr ambitioniert. Ich belasse es erst mal bei 50 – nicht nur wegen des leicht gesprengten Budgets für Buchkäufe 😉
Eine quantitative Auswertung bleibe ich vorerst schuldig und beschränke mich hier auf ein qualitatives Fazit.

Zunächst ist es schön zu sehen, dass Berlin doch noch eine ziemlich große Vielfalt an Buchhandlungen hat, und dass es anscheinend auch noch genügend Menschen gibt, die lesen – das gedruckte Buch lebt! Und mit ihm die Buchhandlungen, von einem radikalen Sterben der Buchläden sehe ich nichts.

Interessanterweise überleben allerdings viele Buchläden trotz dem Umstand dass die Mehrzahl von ihnen in vielen Aspekten mehr oder weniger schlecht designt sind wie ich finde. Schlechte Beleuchtung, beengendes Platzangebot, unübersichtliche Präsentation der Bücher, unerreichbare Bücher, unhygienische Teppiche und Bücher am Boden und Überladung der Verkaufsfläche mit bric-à-brac sind einige dieser Mängel die immer wieder zu beobachten sind. Das alles scheint die meisten LeserInnen aber nicht zu stören, sie kommen trotzdem! Vermutlich sind viele einfach froh, dass es noch Buchläden gibt und stellen keine hohen Ansprüche. Wenn man nie stöbert sondern immer genau weiß welches Buch man will und dieses dann entweder bestellt oder ohnehin immer nur aus dem selben Regal mit den Neuerscheinungen oder Bestsellern nimmt, braucht man auch keine toll durchdachte Buchhandlung (dann könnte man es aber auch online bestellen). Ich scheine jedenfalls eher hohe Ansprüche an eine Buchhandlung zu haben, oder zumindest spezielle. Denn ich lese ja kaum Neuerscheinungen, ob die vorrätig sind oder nicht ist mir also egal! Ich finde eher, dass viele Läden zu starken Fokus auf Neuerscheinungen haben, von denen die meisten ja auch Schrott sind muss man sagen. Wir ist eine gute Auswahl an älteren Büchern, die den “test of time” schon bestanden haben wichtiger. Und ich möchte mich wohlfühlen in einem Buchladen, so wie in meinem Wohnzimmer. Ein solche Atmosphäre zu schaffen gelingt den wenigsten!

Ein rating ist schwierig. Buch Bund ist natürlich mein Liebling. Bei den Läden mit nicht-deutschsprachigem Fokus gefällt mir die französische Zadig sehr gut, bei den english bookshops Saint George. Antiquariate waren nie meine Spezialität, ich komme aber mehr und mehr auf den Geschmack. Mutabor ist da sicher vorne dabei, auch den Berliner Büchertisch finde ich charmant, und die Bücherhalle ist ein Klassiker. Die Konzepte von Extra-Buch und Kisch&Co, neuwertige Bücher aus Rücksendungen zu verkaufen, die nicht der normalen Buchpreisbindung unterliegen finde ich spannend, da man Bücher die sehr gut in Schuss sind sonst zu solchen Preisen nicht bekommt. Wenngleich die genannten Läden generell nicht zu meinen favourites gehören von der Atmosphäre.

Ein paar generelle Hinweise an die BuchhändlerInnen:

  • raus mit den grindigen Teppichen !
  • keine Bücher auf dem Boden bitte !
  • seht euch euer Licht an
  • raus mit dem ganzen bric-à-brac, maximal ein paar Moleskine und Lesezeichen, die Leute kommen wegen der Bücher
  • verstellt eure Auslagen nicht dauernd
  • weniger ist mehr, überfüllt eure Läden nicht
  • Bücher die höher als 2m im Regal stehen sind sinnlos, da kommt niemand hoch
  • Bücher auf Fußhöhe machen nur Rücken- und Knieschmerzen, ich will nicht am Boden herumkriechen bei euch
  • riecht mal rein in eure Läden
  • hört mal rein in eure Läden
  • bitte keine Bananenkisten !
  • weg mit allen hässlichen Verpackungs- und Kistenmaterialien unter euren Präsentationstischen
  • überlegt euch mal was eine KundIn machen muss um an ein Buch aus der Auslage ran zu kommen – viele sind schüchtern und trauen sich nicht zu fragen
  • seht euch mal eure Sitzgelegenheiten an und denkt nach ob da jemals jemand drin sitzt und wenn nicht warum nicht ! wenn Bücher auf Sesseln und Stühlen liegen, sind letzte sinnlos im Übrigen !
  • Rollstuhlrampen sind geil! aber überlegt euch auch ob eine Rollstuhlfahrerin trotz Rampe alleine rein kommt und vor allem ob im Laden auch genug Platz ist um mit dem Rollstuhl rum zu fahren
  • hängt euch mal eine Winterjacke und eine große Tasche um und versucht damit in eurem Laden an jede Stelle zu kommen – wird’s eng?
  • und: fragt mal eure KundInnen was sie gut und schlecht finden.

Das war’s vorerst, es war ein spannender Bücher Herbst-Winter mit vielen Fahrradkilometern und einer Menge neuer Eindrücke und vor allem: Bücher!

Viel Spaß beim Lesen und Stöbern an alle, B.